Spezielle Neigungen

Die neue sexualmedizinische Sichtweise

Die Betrachtungsweise von Sexualität und das Sexualverhalten hat sich in der Gesellschaft in den letzten 70ig Jahren völlig geändert. Die sexualfeindliche Moral der letzten 2000 Jahre wurde über Bord geworfen und wich einer sachlicheren Einstellung. Heute leben wir in einer Gesellschaft, in der es keine sexuellen Tabus mehr gibt. Anstelle von Verboten haben wir alle sexuellen Freiheiten. Die Bedingung ist nur, dass Sexualität einvernehmlich sein muss und dass die sexuellen Rechte eingehalten werden.
Die Medizin und Psychiatrie getraute sich auch, die Sexualität und Liebe als Forschungsgegenstand zu erobern. Beispielsweise wird Homosexualität heute in der Medizin nicht mehr als krankhaft eingestuft und Homosexuelle dürfen nicht mehr diskriminiert werden. Dasselbe gilt für Menschen mit speziellen Neigungen. Die neuere Disziplin Sexualmedizin konnte sich weitgehend von den althergebrachten Vorurteilen befreien und ist redlich engagiert, die Natur der menschlichen Sexualität wissenschaftlich zu untersuchen. So ist sie daran auch die Heterosexualität, die Homosexualität sowie seltenere Phänomene des menschlichen Sexualverhaltens zu untersuchen. Die Sexualmedizin schloss sich aber nicht dem postmodernen Zeitgeist an, nachdem jegliches Sexualverhalten unterstützt werden kann.

Die sexuellen Rechte

Eine Unterscheidung von problematischem und unproblematischem Sexualverhaltens wurde etabliert. Allerdings wird nur ein Sexualverhalten als problemlos betrachtet, wenn es keine Opfer gibt. Sexuelle Gewalt oder Missbrauch werden im Einklang mit den sexuellen Rechten, wie sie die WHO definiert, verurteilt.
Um den sexuellen Rechten auch entsprechen, und sie zu unterstützen, teilen anerkannte Wissenschaftler wie Fiedler und andere Sexualtherapeuten und
-mediziner die speziellen sexuellen Vorlieben grundsätzlich in zwei Kategorien ein, a) in eher „unproblematische Neigungen“ und b) in „eher problematische Neigungen, die sogar gefahrvoll sein können“. Das Kriterium für diese Unterscheidung, ist ob es durch das Sexualverhaltens einer Person Opfer geben kann, die unter dem Sexualverhalten leiden und /oder unfreiwillig Teil des Spiels werden. Behandlungen biete ich nur für Situationen an, wo die Betroffenen oder Partner darunter leiden.

Eher nichtproblematische Vorlieben und Neigungen

Zu den nicht problematischen sexuellen Neigungen gehören solche, wo es praktisch nie ein Opfer gibt.

  • Fetischismus
  • Transvestismus und Transsexualität

Allerdings können auch solche speziellen Vorlieben bei Mitmenschen zu Irritationen führen.
Insbesondere können Partnerschaftsprobleme auftreten. Der Betroffene kann so stark auf seine Neigungen fixiert sein, dass er die Partnerin/den Partner vernachlässigt oder letztere sich nicht mehr sexuell attraktiv fühlt. Meist versucht der Betroffene seine Neigungen zu verstecken und abzustreiten, was zu einem Vertrauensverlust mit Krise in der Partnerschaft führt. Dies ist insbesondere bei süchtigem Verhalten der Fall, was durch die leichte Verfügbarkeit von elektronischen Medien stark begünstigt wird. Beispiele sind Pornosucht oder Fetischismus.

Beratung/Psychotherapie

Bei genügender Motivation und Engagement beider Partner kann eine solche Krise bewältigen werden. Häufig hilft eine Beratung oder eine Paar- bzw. eine Sexualtherapie damit das gegenseitige Vertrauen wieder wachsen kann und sie die Partnerschaft weiter zu pflegen und aufzubauen in der Lage sind.

Eher problematische und gefahrvolle Neigungen

  • Voyeurismus
  • Exhibitionismus
  • Frotteurismus
  • Sexueller Sadomasochismus (BDSM)
  • Pädophilie
  • Sexuelle Gewalt

Straftaten und sexuelles Recht

Sexuelle Straftaten sind Handlungen, die gegen die sexuelle Selbstbestimmung von Menschen gerichtet sind und somit die sexuellen Rechte verletzen. Dazu gehören:

  • Nicht einvernehmlich erfolgte sexuelle Kontakte durch Vergewaltigung oder andere sexuelle Übergriffe
  • Das nicht einvernehmliche Berühren anderer Personen, das sexuell motiviert ist
  • Das öffentliche Entblössen der Geschlechtsteile, um sich sexuell zu stimulieren
  • Sexuelle Übergriffe von Jugendlichen oder Erwachsenen auf deutlich jüngere Kinder, auch wenn es im scheinbaren Einvernehmen geschieht
  • Sexuelle Aktivitäten mit abhängigen Personen, z. B. in Institutionen, von Ärzten, Therapeuten, Priestern oder bei privaten Kontakten

Häufigkeit

Spezielle sexuelle Vorlieben und Neigungen sind nicht häufig. Bei Menschen, die diese Neigungen ausleben, dürfte es sich um wenige Prozente der Bevölkerung handeln. Eine repräsentative Studie aus Australien aus dem Jahre 2008 ergab, dass nur jeder 56te der Befragten im vorangegangenen Jahr Sadomasochismus (BDSM) praktizierte. Hingegen gaben etwa je die Hälfte aller befragten Männer und Frauen an, gelegentlich sadomasochistische Fantasien zu haben. Bei den meisten speziellen Vorlieben sind Männer deutlich übervertreten; eine Ausnahme dürfte der Sadomasochismus sein.

Was ist die Ursache für die Vielfalt menschlichen Sexualverhaltens und –erlebens?

Die Entstehung von der Vielfalt menschlichen Sexualverhaltens wird letztlich noch nicht verstanden. Im Einzelfall mögen Entstehungsgeschichten nachvollziehbar sein. Die eigentlichen Ursachen sind noch nicht bekannt. Sie sind Schicksal und nicht Wahl: Keiner hat sich seine sexuellen Präferenzen ausgesucht. Häufig treten sie in der Pubertät auf und sind dann kaum noch veränderbar. Manchmal hat ein Mensch sein Coming out erst später.

Gibt es behandlungsbedürftige sexuelle Neigungen und Vorlieben?

Da heute spezielle sexuelle Neigungen und Vorlieben nicht als krankhaft oder gestört betrachtet werden, ist grundsätzlich keine Therapie angezeigt. Nicht selten kommt es vor, dass der Betroffene oder die Partner unter einem problematischen Verhalten leiden. Menschen mit problematischen oder gefahrvollen Verhalten (z.B. beim Sadomasochismus oder Pädophilie) können lernen ihr Verhalten anzupassen: Die Initiative „kein Täter sein“ wurde für pädophilen Menschen ins Leben gerufen, damit sie nicht straffällig werden.